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Mein Block, mein Block, mein Block: Spiel-Philosophiestunde mit Nehemiah Mote

Mo 24.02.2025
Fotos: Kevin Mattig/Andreas Gora
Fotos: Kevin Mattig/Andreas Gora

Vor knapp zwei Wochen beim 2:3 der BR Volleys in der CEV Champions League bei der SVG Lüneburg spielte das Blockspiel eine besonders große Rolle. Dreizehn sogenannte “Killblocks“ setzten die Niedersachsen, zehn davon allein Simon Torwie, die Berliner insgesamt nur drei. Vor dem Rückspiel an diesem Mittwoch (26. Feb um 19.30 Uhr) in der Max-Schmeling-Halle spricht Mittelblocker Nehemiah Mote im ausführlichen Interview über das Spezielle an seiner Position und erklärt, warum ihn solche Statistiken eher kalt lassen.

Nemo, als Blockspieler bekommst du bei so ziemlich jedem Angriff des Gegners kräftig was auf die Finger. Ist das nicht sehr schmerzhaft?
Nehemiah Mote: „An den Schmerz gewöhnst du dich, das macht mir nichts mehr aus. Der komplizierte Teil daran, Mittelblocker zu sein, ist die Verantwortung, die man trägt. Ich muss die drei Spieler am Netz anführen, auch anweisen. Jeder muss wissen, was er zu tun hat. Man hat ja einen Plan, den man umsetzen will, muss ihn aber auch anpassen, wenn Dinge auf der anderen Seite des Netzes sich verändern. Direkt vor dir, in kurzen Augenblicken. Das ist der schwierigste Teil am Job des Mittelblockers.“

Wie bereitet man sich auf diese Situation, auf den jeweiligen Gegner vor?
Mote: „Du hast in der Spielvorbereitung einiges erfahren. Wo geht häufig der Pass hin, was sind die Tendenzen des Zuspielers? Was macht der Mittelblocker vor dir? Wer wird den Ball wohl bekommen? Alle Informationen, die du von der anderen Seite dazu noch siehst, musst du auch verarbeiten. All das kommt zusammen – und dann musst du eine Entscheidung treffen. Vor jeder Spielsituation kommunizieren wir auf dem Spielfeld, was wir tun wollen. Es heißt nicht, dass der Plan immer aufgeht, aber, ganz wichtig: Du hast einen. Und wenn auf der anderen Seite sich etwas anders entwickelt als gedacht, passen wir unseren Plan an, so gut es geht. Das ist mein Job. So wie der Libero die Annahme dirigiert.“

Da klingt durch, dass der gegnerische Zuspieler dein Hauptgegner ist im Spiel.
Mote: „Ja, klar, das ist das Mittelblocker-Spiel: du gegen den Setter. Für ihn ist es die gleiche Situation, das ist seine Battle, sein Duell mit mir. Er versucht mit seiner Passverteilung, Eins-gegen-Eins-Situationen zu kreieren. Ich habe etwas dagegen.“

Wie viel Psychologie ist dabei im Spiel?
Mote: „Natürlich sehr viel, auch im Mittelblock. Du folgst zunächst mal deinem Plan. Aber manchmal ziehst du eine Wildcard, machst etwas Verrücktes, weichst ein Stückweit von dem Normalen ab. Dann fängt der Zuspieler an zu denken: Was hat der Kerl denn jetzt vor? Manchmal mache ich einen Schritt in die entgegengesetzte Richtung, die er erwartet, so dass er sich wundert. Er sieht das ja mit seinem peripheren Blick, genauso, wie ich ihn im Auge habe. Dann bin ich in seinem Kopf. Er soll kein klares Bild von meinem Gameplan haben. Er soll es schwer haben. Und wenn ein Ball gespielt ist, unterhalten wir uns als Blockspieler darüber, was passiert ist. Wir reden ja nicht darüber, was wir nach dem Spiel essen wollen (lacht). Es gibt immer Feedback, sogar während der Rallyes.“

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Gab es eine spezielle Vorbereitung auf Simon Torwie?
Mote: „Nein. Ich verstehe natürlich, warum die Frage kommt. Er hatte ein außergewöhnliches Spiel gegen uns. Aber das ist die Ausnahme von der Regel, jeder hat mal ein sehr gutes, ein andermal ein sehr schlechtes Spiel. Entscheidend ist: Wo ist deine normale Leistung, was ist dein Standard? Ein sehr guter Mittelblocker ist jemand, dessen durchschnittlicher Leistungsstandard hoch ist. Es kommt auf deinen Mittelwert an. Und darauf, ihn weiter zu erhöhen. Egal, gegen wen, im Länderspiel oder gegen den Tabellenletzten der Bundesliga. Du schaust nicht so sehr auf deinen Gegner. Das ist jedenfalls mein Ansatz. Jeder hat seinen eigenen.“

Wolltest du, als du mit dem Volleyball begonnen hast, Mittelblocker werden?
Mote: „Ehrlich gesagt: nein. Der australische Nationaltrainer hat mir das vorgeschlagen, als ich das erste Mal zum Nationalteam kam. Ich hatte bis dahin gar keine feste Position. Aber ich war groß, hatte eine gute Sprungkraft. Auf den anderen Positionen gab es viel mehr Kandidaten. Für mich war das okay, ich habe gesagt: Lass es uns so machen. Das hat funktioniert. Es funktioniert immer noch.“

Wenn ich dich richtig verstanden habe, ist es nicht dein persönliches Ziel, möglichst viele “Killblocks“ zu machen. Was sonst?
Mote: „Das klingt komisch, oder? Es ist aber so, ich schaue nicht in die Statistik, um zu sehen, hat der oder jener einen oder zwei Blocks gesetzt. Ich lese auch nicht die Statistik und beurteile dann meinen Wert nach den Zahlen, die dort stehen. Meine besten Spiele waren nicht immer die anhand der Statistik. Ich sehe meine Aufgabe so: Wie viele gute Situationen habe ich mit unserem Blockspiel für meine Defense kreiert? Das ist die Frage, die ich mir nach dem Spiel stelle. Ich versuche, die Angriffe des Gegners zu kanalisieren, in eine Richtung zu lenken. Ich habe einen guten Job gemacht, wenn der Bereich, den der Angreifer attackieren kann, kleiner ist. So dass die Männer hinter mir ihn abwehren können. Weil sie ihn sehen können und daraus eine gute Abwehraktion machen können. Anders formuliert: Ich will dem Angreifer Optionen nehmen. Wenn ich einen Blockpunkt bekomme, ist das so etwas wie ein Bonus für mich.“

Wann fällt die Entscheidung, ob ein Einer-, Zweier- oder Dreierblock gestellt wird?
Mote: „Das hängt sehr stark von der Annahme des Gegners ab. Ist sie perfekt, läuft es meistens auf ein Eins-gegen-Eins hinaus. Kommt der Ball zwei bis drei Meter vom Netz zum Zuspieler, haben wir mehr Zeit, mindestens einen Doppelblock zu stellen. Das hängt natürlich auch vom Zuspieler ab. Hannes (Tille, Berlins Zuspieler) zum Beispiel ist selbstbewusst genug, sogar in solch einer Lage über die Mitte zu gehen. Das trauen sich nicht viele. Bei fünf Metern Entfernung haben wir gute Chancen auf einen Dreierblock. Es hängt also von verschiedenen Faktoren ab. Übrigens auch davon, wie heiß und bereit die Blockspieler sind, das zu schaffen. Noch ein Zusatz, wie wir das sehen: Ein Dreierblock ist nicht ein Dreierblock. Es ist ein Einerblock mit drei Personen, die alles synchron machen, verstehst Du? Ein Block mit sechs Händen. Eine Einheit. Diese Mentalität musst Du haben.“

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Was, wenn ein Gegner – wie zuletzt Freiburg – besonders viel mit Tips und Lobs arbeitet? Macht das den Job eigentlich schwerer?
Mote: „Zunächst einmal zeigt es uns, dass wir im Block einen guten Job machen. Also lass uns so weitermachen, sie fühlen sich gerade nicht wohl, wollen kein hohes Risiko gehen. Andererseits, wenn sie den Block nur antippen, damit sie den Ball gleich wiederbekommen, zeigt das auch eine Stärke des Gegners. Sie sind bereit für eine lange Rallye. Sie haben Geduld. Sie sind diszipliniert, beschützen sich gegenseitig. Wird der Block nur angeschlagen und der Ball fliegt in unsere Hälfte, ist es vor allem schwer für die Feldverteidigung. Sie kann nicht auf alles vorbereitet sein, auf jeden Tip, jeden Lob, jeden hart geschlagenen Angriff diagonal oder die Linie entlang, jeden hoch abgewehrten Angriff.“

Wir haben bisher nur über die Block-Abwehr gesprochen. Die Mittelblocker sind aber auch wichtige Angreifer. Warum wird dieses Mittel nicht noch häufiger eingesetzt?
Mote: „Viele Dinge vorher müssen gut funktioniert haben, bevor es zum Abschluss kommt. Erst mal muss der Zuspieler den Ball so bekommen, dass er daraus einen Mittelangriff kreieren kann. Die Annahme darf nicht zu flach sein, nicht zu schnell, er muss in einem bestimmten Bereich ankommen. Dann kann er über die Mitte gehen – er hat diese Option, aber auch andere. Der Zuspieler hat schließlich seinen eigenen Plan. Wir sind hier auf dem höchsten Level, das heißt, wir brauchen nicht immer die perfekte Vorlage. Angriffe über die Mitte sind oft erfolgreich, denn meistens ist es eine Eins-gegen-eins-Situation. Ich würde trotzdem nicht sagen, der Zuspieler müsste deshalb mehr über die Mitte spielen. Die Mitte muss sich auch mehr und schneller anbieten. Bring dich in Position, so gut es geht und werde zur Angriffsoption. Es hat also zwei Seiten. Es zeichnet einen guten Mittelblocker aus, dass er sich so oft wie möglich anbietet.“

Warum wählt die Mehrheit der Mittelblocker statt Sprungaufschlägen die weichere Variante der “Floater“? Sie sind doch meist großgewachsen.
Mote: „Vielleicht ist dies ein Grund: Die Belastung der Knie von Mittelblockern ist deutlich höher als auf anderen Positionen. Wenn ein Außenangreifer landet, hat er Zeit abzufedern. Mittelblocker landen und machen sich sofort bereit für den nächsten Block, bleiben in Bewegung. Auf Dauer betrachtet ist das ungesund. Und dann schaust Du: Wo hast Du eine Situation, wo Du diese Absprung-Landung-Phase vermeiden kannst, etwas weniger Intensität hast? Das geht beim Floater. Es gibt allerdings kein Gesetz, dass Mittelblocker diese Aufschläge machen müssen. Ich möchte dazu aber auch eines klarstellen: Wir Mittelblocker sind groß und ein harter Floater ist schwerer anzunehmen als ein harter Sprungaufschlag. Da kann man gern mal die Annahmespieler fragen. Der Sprungaufschlag ist leichter vorhersagbar, der Floater hat seinen eigenen Charakter, kann ganz verschieden drüben ankommen. Du gehst weniger Risiko ein. Du musst aber ein klares Ziel haben, eine Zone, einen Spieler. Willst du seinen Arm treffen? Seine Brust? Soll er einen Schritt vorwärts machen? Auch da ist viel Psychologie im Spiel. Was, wenn er den Aufschlag gut bekommen hat? Ich sage: Mach’s noch einmal. Damit er vielleicht denkt, warum macht er das? Noch ein Beispiel. Der Libero ist normalerweise der beste Annahmespieler, er rechnet nicht damit, angespielt zu werden. Gerade deshalb mache ich das manchmal am Ende eines Satzes, um ihn zu irritieren. Du glaubst gar nicht, wie viel nachgedacht wird auf dem Spielfeld!“

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Trotz aller Psychotricks ist es doch sicher ein schönes Gefühl, wenn die Menge nach einem Blockpunkt von dir laut skandiert „Mein Block, mein Block, mein Block“. Kannst du dich an einen besonders schönen erinnern?
Mote: „Da gab es schon einige. Als ich noch für Friedrichshafen spielte, habe ich mal im Spiel gegen die BR Volleys Tim Carle geblockt. Sergey Grankin täuschte einen Pass auf den Mittelblocker Anton Brehme an, und ich sprang hoch gegen Toni. Der Pass ging aber ein Stück weiter auf Tim. Ich hing in der Luft, hing und hing, und Tim traf tatsächlich genau meine rechte Hand. Block! Aber das war großes Glück. Er hatte genug Platz, woanders hinzuschmettern. Dann gab es da auch noch einen schönen im Berliner Trikot vor zwei Jahren gegen einen der besten Spieler der Welt bei Perugia. Da bin ich nicht beim Mittelblocker mitgesprungen und habe auf den Angriff von Wilfredo Leon gewartet. Der war auch nicht übel.“

Wie viele Blocks wirst du dir am Mittwoch im Champions-League-Rückspiel gegen Lüneburg krallen?
Mote: „Das ist nicht wichtig, Hauptsache wir setzen uns durch. Das wird nochmal eine ganz große Herausforderung und wir müssen uns auf dem Spielfeld gegenseitig helfen, um das Weiterkommen zu schaffen.“

Tickets für das deutsche Duell BR Volleys gegen die SVG Lüneburg am Mittwoch in der Max-Schmeling-Halle gibt es hier: www.br-volleys.de/ticketshop

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