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"Der deutsche Volleyball braucht ein Umdenken"

Fr 25.03.2016

Sie sind erfolgreiche Unternehmer, leidenschaftliche Manager und enthusiastische Fans ihres Sports: Kaweh Niroomand und Jörg Dittrich stehen an der Spitze der beiden derzeitigen Top-Mannschaften des deutschen Volleyballs – Niroomand ist Geschäftsführer der BR Volleys, Dittrich Vorstandsvorsitzender der Damen des Dresdner SC. In einem Doppelinterview zum Auftakt der Bundesliga-Playoffs schauen sie gemeinsam voraus auf die entscheidende Phase der Saison und auf die großen Herausforderungen, vor denen der professionelle Volleyballsport hierzulande steht.


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Foto: Jörg Dittrich (links) und Kaweh Niroomand (rechts).


Herr Niroomand, Herr Dittrich, Ihre Vereine sind am Osterwochenende beide in den Playoffs der Volleyball Bundesliga gefordert – und spielen beide in Berlin. Die BR Volleys starten gegen CV Mitteldeutschland, die DSC-Damen können beim Köpenicker SC schon den Halbfinal-Einzug perfekt machen. Was beschäftigt Sie als Vereinschefs zu Beginn dieser heißen Saisonphase besonders?
Niroomand: Mich treibt gerade unsere Verletztensituation um. Der internationale Termin-Kalender ist so eng gestrickt, damit haben wir extrem zu kämpfen. Die CEV-Cup-Halbfinalspiele gegen Knack Roeselare waren für uns sehr wichtig, aber wir hatten nur neun halbwegs gesunde Spieler zur Verfügung. Es ist eine tolle Leistung, dass wir trotzdem zum ersten Mal in unserer Geschichte in ein europäisches Endspiel einziehen konnten. Aber wenn ich sehe, wie wenig Rücksicht von den Verbänden auf die Gesundheit der Spieler und auf uns Vereine genommen wird, werde ich schon nachdenklich.
Dittrich: Dem schließe ich mich an, der straffe Rhythmus macht uns ebenfalls zu schaffen. Abgesehen davon sind wir in Dresden permanent damit beschäftigt, unser Geschäft zu sichern. Wir müssen jederzeit alles im Blick haben, schauen, dass für unseren laufenden Betrieb genug Geld da ist, aber auch schon an die nächste Saison denken und daran, dass wir weiter wachsen wollen. Die Vermarktbarkeit unseres Sports ist leider einfach sehr begrenzt und wir sind immer gefordert, aus unseren finanziellen Mitteln das absolute Maximum herauszuholen. Aber vielleicht macht uns genau das sympathisch.
Niroomand: Das ist bei uns in Berlin ganz ähnlich. Auch wir müssen uns ständig etwas einfallen lassen und viele Klinken putzen. In einer Stadt ohne Dax-Unternehmen sind es viele kleine Mittelständler, die sich für die BR Volleys engagieren.

Sie sind ganz offensichtlich mit Leib und Seele für Ihren Club und den Volleyball unterwegs. Was macht für Sie persönlich dabei die Faszination aus?
Niroomand: Ich mache das ja schon seit 30 Jahren in dieser oder ähnlicher Funktion. Ich war Spieler und Trainer, das ist einfach meine Sportart. Und seit wir 2011 das "Projekt" BR Volleys gestartet haben und in die Max-Schmeling-Halle umgezogen sind, sehen wir, dass richtig was voran geht und sich Volleyball trotz aller Herausforderungen toll entwickelt. Dabei ist es sehr motivierend, zu sehen, dass wir Mitstreiter haben, die ähnlich denken wie wir. Wir wissen, dass wir nicht allein sind und diese fantastische Sportart in Deutschland gemeinsam groß machen können.
Dittrich: Ich war kein Leistungssportler oder Trainer, aber ich habe im Sport einfach unheimlich viel gelernt, das mein Leben in jeder Hinsicht bereichert. Außerdem bin ich von Natur aus neugierig und lerne einfach gern andere Menschen kennen – so wie z. B. Herrn Niroomand. Nicht zuletzt macht es auch mir Freude, zu sehen, dass wir mit unserer Sportart etwas erreichen können – abseits vom allgegenwärtigen Fußball. Und ganz ehrlich, auch der Erfolg macht ein Stück weit süchtig.

Nehmen wir an, Sie wären für einen Tag Chef beim anderen Club in Dresden bzw. Berlin. Was könnten Sie dabei lernen, weil die Kollegen dort schon etwas weiter sind als Ihr Verein?
Dittrich: Ich finde es toll, dass Berlin vorgemacht hat, dass der Sport zwar immer im Mittelpunkt stehen sollte, das aber nicht nur mit dem Fokus auf die Leistung. Herr Niroomand und sein Team beweisen, dass es sich lohnt, auch an den Zuschauer zu denken und das Erlebnis Volleyball ganz neu zu präsentieren. Die Berliner bringen Volleyball an Orte, wo er vorher nicht stattfindet, zum Beispiel mit ihrem Urban Volley Court. So etwas wünsche ich mir auch für Dresden.
Niroomand: Im Kontakt mit dem Dresdner SC erlebe ich, wie ungemein professionell die Menschen auf der Geschäftsstelle und im Umkreis der Mannschaft arbeiten. Das ist sicherlich eine Parallele zwischen beiden Vereinen: Wir haben immer darauf Wert gelegt, dass nicht nur in eine sportliche Leistungssteigerung investiert wird, sondern auch das Operative mitwächst. Das ist in Dresden schon sehr gut vorangekommen. Und was ebenfalls auffällt, ist die Verankerung des Vereins in der Stadt – da haben wir es in Berlin durch die Größe vielleicht etwas schwerer. Die Identifikation in Dresden mit dem DSC – da gucken wir manchmal schon etwas neidisch rüber.

Und worauf würden Sie sich an diesem Tag in Dresden mit dem DSC bzw. in Berlin mit den BR Volleys besonders freuen?
Dittrich: Die Max-Schmeling-Halle ist deutlich größer als unsere Margon-Arena und mit ihrem Eventtalent machen die BR Volleys das Beste aus den technischen Möglichkeiten. Wir haben auch tolle Fans, aber wir bekommen einfach nicht mehr Publikum in unsere Halle. Immer wenn ich in Berlin zu Gast bin und sehe, wie unser Sport dort inszeniert wird, denke ich: Ach, ist das schön hier.
Niroomand: Sie sind immer herzlich willkommen! Die Spielstätte ist natürlich ein besonderes Thema, gerade in der Volleyball Bundesliga. Es wäre wirklich zu wünschen, dass ein gewisser Mindeststandard bald überall eine Selbstverständlichkeit ist, mit entsprechender Größe, Ausstattung und Bedingungen, die Werbung für unseren Sport machen. Das muss das A und O sein – wenn wir an die Entwicklung des Produktes Volleyball denken.

Beim Pokalfinale in Mannheim vor 12.000 Zuschauern hat man gesehen, was im Volleyball möglich ist. Was muss passieren, damit unser Sport in Deutschland deutlich öfter eine solche Aufmerksamkeit bekommt?
Niroomand: Jörg Dittrich und ich sind uns einig, dass unsere Vereine ihre erfolgreich entwickelten Produkte nicht als „Inseln“ weiterführen können. Wir wollen diese Sportart aus Berlin und Dresden heraus voran bringen. Aber ohne eine interessante Liga, ohne eine erfolgreiche Nationalmannschaft und ohne, dass die Sportart insgesamt präsenter ist, werden wir das nicht schaffen. Es gibt viele Baustellen. Der deutsche Volleyball braucht ein grundsätzliches Umdenken und neue Strukturen. Sonst wird es sehr schwierig, ihn erfolgreich zu vermarkten.
Dittrich: Schon, als ich 2009 beim DSC anfing, gab es Kritikpunkte in Bezug auf die Professionalität an der Schnittstelle zwischen den Verbänden und den Vereinen. Bis heute kann ich keine wirklich erfolgreichen Entwicklungen beobachten. Wir Vereine versuchen alles, um die Sportart nach vorn zu bringen, aber wir stoßen dabei an Grenzen.

Wo sehen Sie konkreten Verbesserungsbedarf?
Niroomand: Auch wenn die Liga eigenständig bleiben muss, brauchen wir einen neuen Dialog und eine neue Zusammenarbeit mit dem Verband. Der gesamte Leistungsbereich, vom Nachwuchs über die Bundesliga bis zu der Nationalmannschaft, muss vielmehr miteinander verzahnt, ja sogar unter eine gemeinsame operative Führung gestellt werden. Die Liga und die Landesverbände müssen, auch wenn sie unterschiedliche Aufgaben haben, gemeinsam an der Entwicklung des Volleyballs arbeiten. Die Nationalmannschaft muss wieder ein Gemeinschaftsprodukt von uns allen sein. Dieses Verhältnis muss unter dem Dach des DVV neu strukturiert werden. Der Träger der Nationalmannschaft müssen in Zukunft alle sein, die sich für das Produkt Volleyball in Deutschland einsetzen. Heute sind es mehr oder weniger einige Mitarbeiter in der Frankfurter DVV-Zentrale. Wir müssen gemeinsam an Konzepten arbeiten von Talentsuche bis zur Entwicklung einer interessanten Liga und einer Nationalmannschaft, die dauerhaft erfolgreich ist. Und wir müssen auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die guten deutschen Spieler in Deutschland bleiben und nicht ins Ausland abwandern. Eine derartige Struktur-Reform ist dringend nötig, um im deutschen Volleyball tatsächliche, langfristig wirksame Änderungen herbeizuschaffen.
Dittrich: Der leistungssportliche Bereich braucht eine ganzheitliche Betrachtung. Vereine, Verband und Liga können es allein nicht wuppen – wir sind verdammt zur Zusammenarbeit. In Berlin und Dresden haben wir in den letzten Jahren einige Dinge richtig gemacht. Herrn Niroomand und mich treibt um, wie diese Erfahrungen aufgegriffen werden können – damit wir gemeinsam mit allen anderen Akteuren einen neuen Weg gehen und den Volleyball in Deutschland erfolgreich weiterentwickeln können.

Noch etwas Persönliches zum Abschluss: Was wünschen Sie Ihrem Gegenüber?
Dittrich: Ich wünsche Herrn Niroomand natürlich Gesundheit, einen großen Sponsor mit einem tollen Budget und dass die BR Volleys gemeinsam mit uns die Meisterschaft feiern.
Niroomand: (lacht) Dem habe ich umgekehrt nichts hinzufügen.

Quelle: www.dresdnersportclub.de

 

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