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Im zweiten Anlauf will Florida-Boy Kyle Dagostino gleich durchstarten

Fünf Spieler haben die BR Volleys am Ende der vergangenen Saison verlassen, neun sind geblieben. Einer von ihnen ist Libero Kyle Dagostino, der Organisator der Annahme und Feldabwehr. Der US-Amerikaner hat noch ein Jahr Vertrag und sich große Ziele gesetzt – für sein Team wie für sich selbst.
Die Kommunikation könnte nicht besser sein, wie üblich bei Kyle Dagostino. Obwohl der US-Amerikaner jetzt 10.000 Kilometer entfernt von Berlin in Rio de Janeiro an seinem Handy sitzt. Die Verbindung ist trotzdem sehr klar. Genau wie die Sätze, die er spricht. Jedes Wort scheint wohlüberlegt, wenn er seine vergangene Saison mit den BR Volleys analysiert und seine Erwartungen an die nächste Spielzeit beschreibt. „Als Team wollen wir wieder alle drei nationalen Titel gewinnen“, sagt er – den Ligacup, den DVV-Pokal und die Deutsche Meisterschaft. Außerdem in der Champions League diesmal unter die Top Acht zu kommen, das ist sein Anspruch. „Und persönlich würde ich am liebsten so starten, wie ich in den Playoffs aufgehört habe. Damit ich für mein Team so lange wie möglich meinen besten Volleyball spielen kann“, so Dagostino.
Da schwingt die Erkenntnis mit: Vollends zufrieden ist er nicht mit seinem ersten Jahr in Berlin, trotz der drei Titel. „Ich habe zu Beginn meiner Karriere in Europa viermal gegen Berlin gespielt. Danach habe ich immer verfolgt, was sie tun“, erinnert sich der 30-Jährige. „Aber es ist eine ganz andere Erfahrung, selbst für die BR Volleys anzutreten. Die Organisation und die Professionalität im Klub kennenzulernen, das Spielsystem zu verinnerlichen. Ich würde sagen: In der ersten Saisonhälfte habe ich in erster Linie gelernt.“ Genauso sieht es Geschäftsführer Kaweh Niroomand: „Kyle hat eine gewisse Zeit gebraucht, sich bei uns zurechtzufinden. Aber er hat sich im Saisonverlauf immer weiter verbessert. Gerade in den Playoffs hat er seine besten Leistungen gebracht. So waren wir am Ende ganz zufrieden.“
Das ist auch Kyle Dagostino, sportlich wie privat. Nach der gewonnenen Meisterschaft hat er sich mit seiner Ehefrau Brenly auf Hochzeitsreise begeben, auf Madeira eine glückliche Zeit verbracht. Danach begann schon bald wieder der Ernst des Volleyballprofi-Lebens. Das Wetter zumindest ist jetzt in Brasilien nicht schlechter. Dort hat sich die US-Nationalmannschaft, deren Kapitän er aktuell ist („eine große Ehre für mich“), zunächst eine Woche gemeinsam mit den Gastgebern auf die Volleyball Nations League vorbereitet. An seiner Seite sind die Berliner Teamkollegen Matthew Knigge im Mittelblock und Nolan Flexen, der neue Außenangreifer. Derzeit finden dort auch die ersten VNL-Spiele statt. Zum Auftakt haben die Amerikaner überraschend 0:3 gegen die Ukraine verloren, darauf folgte gegen den Iran ein 3:2-Erfolg für Captain Dagostino und seine Mannschaft.
Für den Libero sind diese Matches wichtig, um sich im US-Team unverzichtbar zu machen. Ein schwieriges Unterfangen, denn am Ex-Berliner Weltklassemann Erik Shoji ist bisher kein Vorbeikommen. Der 35-Jährige, der auf die VNL in Brasilien verzichtet, vertrat die US-Farben auf seiner Position bei den Olympischen Spielen in Paris und gewann dort Bronze. Dagostino wurde kurz vor Olympia aus dem Aufgebot gestrichen, da die enge Kaderplanung dort gewissermaßen keinen zweiten Libero-Platz zuließ. Er weiß nur zu gut um die Schwere seines Ziels, dennoch „träume ich einfach davon, in Los Angeles 2028 mitzuspielen“.
Nicht verwunderlich, wenn man sieht, welche Rolle Volleyball in seinem Leben immer schon gespielt hat. Der echte Florida-Boy ist in Tampa geboren, „aufgewachsen bin ich in der Sporthalle“, berichtet er lachend. Hatte er eine Wahl? Seine ganze Familie ist dem Volleyball sehr verbunden, und der kleine Kyle war immer dabei. Er hat seinem Dad Randy zugeschaut, wenn der an der Highschool seine Teams trainierte. Seiner Mom Lauri zugehört, wenn sie mit dem USA Volleyball-Verband telefonierte. Sie war dort im Nachwuchsbereich tätig. Seine ältere Schwester Mackenzie war Zuspielerin – so wie er selbst in seinen ersten Jahren. Vor 23 Jahren, mit sieben also, stand er erstmals in einer Mannschaft, sein Vater war sein Trainer. Erst in seinem vierten Jahr am College wechselte Dagostino auf die Liberoposition, bei 175 Zentimeter Körpergröße sicher nicht die schlechteste Entscheidung. Eine, mit der er zum Profi werden konnte.
Über ACH Volley Ljubljana (SLO), Raision Loimu in Finnland, Nice Volley-Ball und Narbonne Volley, wo er zum zweitbesten Libero der französischen Liga gewählt wurde, führte Dagostinos Weg zu den BR Volleys, wo ihn die bisher höchsten Ansprüche auf Vereinsebene erwarteten. Das war nicht einfach, neben sich hatte und hat er sehr starke Annahmespieler vom Format eines Ruben Schott oder eines Moritz Reichert. „Am Anfang fielen manchmal Bälle zwischen zwei Spielern runter, die sich dann anguckten. Wer nimmt den Aufschlag an? Das musste sich einspielen“, hat Niroomand Verständnis für den holprigen Start, „das kriegst du nur über gemeinsame Spielzeit raus.“ Je mehr es davon gab, umso besser wurde die Kommunikation – und umso besser das Zusammenspiel.
Kommunikation ist ohnehin eine der Stärken des Amerikaners. Er spricht jetzt schon wie ein Trainer mit seinen Kollegen, in Auszeiten, auch im Nationalteam, führt er gern das Wort. Zukünftig, nach dem Abgang von Adam Kowalski, wird Dagostino in Maximilian Treiter (20) ein ganz junges Annahme-Talent unter seine Fittiche nehmen können. „Die Aufgabe wird er annehmen, Kyle wird Max bestimmt gern unterstützen“, glaubt Niroomand, „so wie er veranlagt ist, gesamtverantwortlich zu handeln.“ Das kann Dagostino nur bekräftigen. „In bisher jedem Team, wo ich gespielt habe, hatte ich einen jüngeren Libero neben mir“, sagt er, „ich stehe noch mit allen in Kontakt. Wir können uns doch gegenseitig helfen: Sie sehen Dinge von der Seitenlinie, die ich nicht sehe. Ich kann meine Erfahrung mit ihnen teilen. Max war jetzt schon regelmäßig bei unserem Training dabei. Ich freue mich darauf, mit ihm zusammenzuarbeiten. Ich freue mich auf die nächste Saison.“ Zumal mit Assistenztrainer Markus Steuerwald einer der besten Liberos seiner Zeit weitere Tipps und Ratschläge geben kann. Unter diesen Voraussetzungen soll die Annahme in der nächsten Spielzeit so sattelfest stehen wie in den Playoffs. Am liebsten natürlich von Anfang an.
Wer Kyle Dagostino in seiner zweiten Saison bei den BR Volleys regelmäßig zuschauen möchte, kann sich hier die Saisonkarte 2025/26 sichern: www.br-volleys.de/tickets