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Das Lüneburger Volleyball-Märchen

Mo 25.03.2024
Fotos: Gora/Höfel/Behns
Fotos: Gora/Höfel/Behns

Nach den souveränen Playoff-Auftaktspielen der BR Volleys im Viertelfinale gegen die Baden Volleys SSC Karlsruhe wird es für den Titelverteidiger im Kampf um die Deutsche Meisterschaft in der nächsten Runde nun wesentlich intensiver. Schon deshalb, weil das Halbfinale nach dem Modus „best of five“ ausgetragen wird, also drei Siege für das Weiterkommen erforderlich sind. Vor allem aber, weil der Gegner SVG Lüneburg heißt. Zwar wurden die Niedersachsen von den Berlinern in dieser Spielzeit dreimal besiegt, doch jedes Mal nur denkbar knapp mit 3:2 Sätzen. Im zehnten Jahr ihrer Erstliga-Zugehörigkeit wirken die "LüneHünen" gefestigter und stärker als je zuvor. Mindestens zweimal (27. Mrz und 03. Apr jeweils um 19.30 Uhr, www.br-volleys.de/tickets) haben die Hauptstädter dabei Heimvorteil.

Am vergangenen Mittwoch noch saß Andreas Bahlburg auf der Tribüne der Arena von Asseco Resovia Rzeszow und genoss jeden Moment. Zwar verlor seine Mannschaft auch das zweite Match gegen das polnische Topteam mit 0:3, aber es war schließlich das Finalrückspiel um den CEV-Pokal, den nach der CEV Champions League zweithöchsten internationalen Wettbewerb des Kontinents. „Für uns ist das so oder so ein Meilenstein“, sagt der Geschäftsführer der SVG Lüneburg, „wir haben ein weiteres Kapitel unserer Vereinshistorie geschrieben und sind stolz, dass wir unter unseren Rahmenbedingungen da schon absolut mithalten können. Wir setzen Duftmarken, nicht mehr nur national, sondern jetzt auch in ganz Europa.“ Eine Runde zuvor hatten die Norddeutschen bereits sensationell aufgetrumpft. Die SVG hatte zwar bei Arkas Izmir das Hinspiel des Halbfinals 0:3 verloren und auch den ersten Satz im Rückspiel in der heimischen Arena, doch dann drehte man auf, angefeuert von den enthusiastischen Fans vor der ausverkauften Kulisse gewannen die Lüneburger das Match 3:1 und anschließend auch den "Golden Set". Die favorisierten Türken mit ihrem deutschen Starangreifer Georg Grozer traten schwer geschlagen die Heimreise an.

Die schmucke und moderne Arena, in der die "LüneHünen" seit dem Oktober 2021 ihre Heimspiele bestreiten und die 3.200 Zuschauern Platz bietet, ist einer der Gründe für den beeindruckenden Aufstieg des Klubs, hat ihm einen neuen Schub an wirtschaftlichen Möglichkeiten gegeben. An erster Stelle müssen jedoch drei Personen genannt werden, die hinter dem Erfolg stehen: der pensionierte Bundeswehr-Hauptmann Bahlburg (64), der als ehemaliger Bürgermeister von Südgellersen und Lüneburger Kreistagsmitglied sehr gut vernetzt ist in der Region, zudem der Sportliche Leiter Bernd Schlesinger (65), der schon fast 40 Jahre im Hochleistungssport unterwegs ist, und Trainer Stefan Hübner (48), der auf Vermittlung Schlesingers 2014 zum gerade aufgestiegenen Verein kam und mittlerweile von dort nicht mehr wegzudenken ist. Der ehemalige Nationalspieler (245 Einsätze) verbrachte von 1998 bis 2000 auch zwei Spielzeiten beim SCC Berlin und später drei (2003 bis 2005 sowie 2006/2007) bei Itas Trentino in Italien. Er hat sich in Lüneburg vor Kurzem ein Haus gekauft und steht noch vier Jahre bei der SVG unter Vertrag.

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Die Drei schätzen solchen Personenkult nicht besonders, verweisen lieber auf die vielen ehrenamtlichen Helfer, die Fans, die zuverlässigen Sponsoren, die bestens funktionierende Geschäftsstelle und deren Leiter, Matthias Pompe. „Das ist hier keine One-Man-Band mehr“, sagt Bahlburg, der trotzdem immer der Visionär hinter diesem modernen Lüneburger Sportmärchen bleiben wird. 1991 gründete er die Volleyball-Abteilung des TSV Gellersen und wurde ihr Vorsitzender. Die Männer des Klubs trainierte Bahlburg nebenher und stieg 2006 in die Regionalliga auf. Im selben Jahr folgte die Bildung der Spielgemeinschaft Volleyball Gellersen (SVG) Lüneburg aus den Vereinen MTV Treubund Lüneburg, TuS Reppenstedt und TSV Gellersen. Drei Jahre später stieg die SVG in die 2. Liga auf, 2014 schließlich in die Bundesliga. Auf das Aufstiegsrecht hatten die Niedersachsen zuvor bereits zweimal verzichtet. Warum, erklärt Bernd Schlesinger: „Weil die Rahmenbedingungen damals noch nicht gut genug waren. Wir wollten langsam, aber kontinuierlich wachsen. Und, da sind wir eisern: Wir geben nie mehr Geld aus, als wir haben.“

Launig erzählt er, wie er damals eine Dekadenstrategie aufstellte, in der auch stand: „In zehn Jahren spielen wir in der Champions League!“ Lustig, dachten manche, nur: Der Plan ging auf, in dieser Saison gelang es wirklich. Sogar die ersten beiden Duelle in der Königsklasse wurden direkt gewonnen, was Tabellenplatz drei in der Gruppenphase einbrachte und damit die Fortsetzung der internationalen Saison im CEV Cup – bis ins Finale. Im Ankündigen sind sie ohnehin ziemlich gut in der 80.000 Einwohner zählenden Hansestadt südlich von Hamburg. Als Bahlburgs Sohn René, ein ehemaliger Junioren-Nationalspieler, 2006 zu den Volley YoungStars nach Friedrichshafen wechselte, dem Zweitligateam des damaligen Serienmeisters VfB Friedrichshafen, sagte sein Vater forsch: „In zehn Jahren spielen wir hier in Lüneburg gegen den VfB in der Bundesliga.“ Damals haben alle gelacht. Es dauerte allerdings nur acht Jahre.

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Ohnehin kam vieles anders als gedacht. Der freche Aufsteiger zog auf Anhieb ins Playoff-Halbfinale ein und, besser noch: ins Pokalfinale in Halle/Westfalen, dem letzten an diesem Ort. Mehr als 1.000 Anhänger begleiteten das Team dorthin, „in unserer Kurve der riesigen Arena hat es reingeregnet“, erinnert sich Bahlburg lachend. Gestört hat das niemanden, nicht mal das deutliche 0:3 gegen Friedrichshafen, im Gegenteil. Der bis dahin größte Erfolg der jungen Vereinsgeschichte wurde ausgiebig gefeiert. Der treue und extrem lautstarke Anhang der Mannschaft ist inzwischen fast so bekannt wie ihr Verein. So wunderte sich zuletzt Jakub Kochanowski, der Weltmeister in Reihen von Rzeszow: „Es geschieht selten, dass die gegnerischen Fans unsere übertönen, nicht einmal bei Auswärtsspielen. Heute haben wir unsere Anhänger jedoch fast nicht gehört und nicht weil sie uns nicht wie sonst angefeuert haben, sondern weil die Atmosphäre in der Arena in Lüneburg wirklich heiß war. Ich habe noch nie erlebt, dass eine ganze Halle derartig synchron ihre Mannschaft unterstützt hat. Sicherlich werden wir alle uns noch lange an dieses Spiel erinnern – nicht nur im Hinblick auf das Ergebnis, sondern auch darauf, wie schwer es ist, hier zu spielen.“ Genau diese Atmosphäre erwartet nun auch wieder die Berliner im Playoff-Halbfinale.

Der Hype um die "LüneHünen" war von Anfang an riesengroß, erst in der Gellersenhalle, bei den Gästen gefürchtet als "Gellersenhölle", wo die Bälle gern mal an das flache Arenadach sprangen und die 800 zugelassenen Fans eine markerschütternde Stimmung erzeugten. Diese wurde der SVG von der Bundesliga als vorübergehende Spielstätte genehmigt. „84 Spiele hatten wir dort, 83 Mal waren wir ausverkauft“, erzählt Bahlburg, „nur einmal nicht: Gegen den VC Olympia waren 700 Leute da.“ Und nun, seit 2021, in der LKH Arena, benannt nach dem Hauptsponsor der SVG, einer privaten Krankenversicherung, treiben regelmäßig mehr als 3.000 Fans das Team zu Spitzenleistungen. Verblüffend ist nicht nur die Kontinuität in der Chefetage des Klubs, sondern auch der dauerhafte Erfolg. In jedem Jahr erreichten die Lüneburger die Playoffs, nun bereits zum sechsten Mal das Halbfinale, außerdem dreimal das Pokalendspiel und jetzt das CEV-Cup-Finale. „Es geht ein Traum in Erfüllung“, schwärmt Bahlburg, „es ist einfach schön zu sehen, dass das, was man an Ideen und Projekten umsetzen möchte, mit Hilfe von ganz vielen Menschen, die genauso ticken, auch gelingt.“

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Zu Recht stolz berichtet der "Vater des Erfolgs", dass der Verein mittlerweile 36 spielende Mannschaften hat und der größte Volleyball-Klub in ganz Niedersachsen ist. 100 Kinder stehen noch auf Wartelisten, die im Moment „nicht in unsere Nachwuchsgruppen können. Wir arbeiten daran.“ Fast täglich gebe es Anfragen von potenziellen Sponsoren, die auf den Erfolgsdampfer aufspringen möchten. Für die kommende Saison sind bereits 650 Dauerkarten verkauft, 250 VIP-Tickets, weitere 100, die an Sponsorenverträge geknüpft sind. „In Lüneburg“, sagt Schlesinger, „ist es Kult, zu unseren Spielen zu kommen.“ Durch den Umzug in die neue Arena ist der Vereinsetat zum ersten Mal über eine Million gestiegen, 2014/15 lag er noch bei 320.000 Euro. Und der Aufstieg soll weitergehen. Obwohl der Sportliche Leiter erfahren genug ist zu wissen, dass „im Sport Rückschläge immer passieren können, ist eines klar: Wir wollen irgendwann unseren ersten Titel gewinnen. Welchen, ist egal.“ Bahlburg ergänzt: „Wir wollen einen Pott! Wir sind noch nicht am Ende des Weges, den wir uns mal ausgedacht haben.“ Dem Volleyball-Märchen fehlt also nur noch eine Krone. Wer darüber lachen will, kann das gern tun. Zuletzt allerdings lachten bisher immer die Macher der SVG Lüneburg.

Die Termine der Playoff-Halbfinalserie:
Spiel 1 | 27. Mrz | Mittwoch | 19.30 Uhr | Max-Schmeling-Halle Berlin
Spiel 2 | 30. Mrz | Samstag | 17.30 Uhr | LKH Arena
Spiel 3 | 03. Apr | Mittwoch | 19.30 Uhr | Max-Schmeling-Halle Berlin
Spiel 4* | 05. Apr | Freitag | 19.00 Uhr | LKH Arena
Spiel 5* | 09. Apr | Dienstag | 19.30 Uhr | Max-Schmeling-Halle Berlin
(*wenn zuvor noch keine Entscheidung gefallen ist)

Tickets für die Heimspiele der BR Volleys: www.br-volleys.de/tickets

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