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Markus Steuerwald in bekannter Rolle
Am Freitag nächster Woche beginnt in Manila die Volleyball-Weltmeisterschaft. Auf den Philippinen trifft sich fast alles, was in dieser Sportart Rang und Namen hat: die besten Spieler, die stärksten Teams und natürlich die aktuell renommiertesten Trainer. Für die BR Volleys bedeutet das, dass sie einen großen Teil der Vorbereitung auf die im Oktober beginnende Bundesligasaison vermutlich ohne sechs ihrer Profis und ohne ihren Headcoach Joel Banks bestreiten müssen. Der Brite trainiert nämlich die Mannschaft der Niederlande. Für seinen Berliner Assistenten Markus Steuerwald, der nun die Verantwortung trägt, eine ungewohnte, aber keine ganz unbekannte Situation.
Ruben Schott erscheint gut gelaunt zum Training im Horst-Korber-Sportzentrum. „Schon gesehen?“, ruft er zur Begrüßung, „Markus hat zwölf Kilo abgenommen.“ Hat er wirklich, aber Steuerwald erwidert trocken: „Ja, und die hast du zugenommen!“ Was nur ein Spaß ist. Beide haben sich nach gewonnener Deutscher Meisterschaft drei Monate nicht gesehen. Der 31-jährige Kapitän hatte entschieden, nach 164 Länderspielen mal einen Sommer ohne internationalen Wettbewerb zu verbringen, ein bisschen mehr Urlaub zu machen als üblich. Was nicht heißt, dass ihm kein Trikot mehr passt. Um Bestform zu erreichen, bleiben schließlich noch ein paar Wochen. Das gilt auch für die anderen Profis, die hier versammelt sind: Jake Hanes, Nehemiah Mote, Daniel Malescha, Jelle Bosma, Maximilian Treiter und Arthur Wehner, die Mittwoch vergangener Woche das Training aufnahmen. Jeder ist in einer etwas anderen Verfassung, was den Start nicht gerade erleichtert. Mit Markus Steuerwald als einzigem Trainer.
„Es ist viel zu tun“, sagt der einst beste Libero Deutschlands, der nach dem Titelgewinn seinen Vertrag beim Rekordmeister um ein Jahr verlängert hat und damit weiter als Co-Trainer an Bord bleibt. Der Ex-Friedrichshafener geht nun in seine dritte Saison in Berlin. „Die ersten zwei, drei Tage war es viel Organisatorisches. Was sonst Joel macht, muss ich jetzt klären.“ Worum Coaches sich so alles kümmern: Gerade eben hat er aus alten Teilen ein Korbgestell gebastelt, den die Zuspieler in ihrem Training einsetzen können. Im Erfolgsfall landen dort die Bälle und müssen nicht mehr mühsam eingesammelt werden. Kleinkram, spart aber Zeit.

Mal verschickt er Nachrichten, um jemanden für ein Trainingsmatch zu gewinnen. Auch Kleinkram. Ein anderes Mal sendet er eine Mail, um in der Halle etwas verändern zu lassen. Noch mehr Kleinkram. „Irgendwann wird das zeitintensiv. Es sind zwar viele Kleinigkeiten dabei, aber die muss man abarbeiten, damit man möglichst gute Bedingungen hat. Dazu kommt die Trainingsvorbereitung, die sonst auch oft Joel übernimmt. Das mache ich jetzt.“ Allzu schwer fällt ihm das nicht, er hat ja Übung. Im vergangenen Jahr blieb ihm diese Phase zwar erspart – da hatte Banks keinen Zweitjob, sondern blieb in Berlin und leitete von Anfang an die Saisonvorbereitung selbst. Doch 2023 coachte er noch Finnlands Nationalteam, obwohl er damals ganz neu war bei den BR Volleys, genau wie Steuerwald und der zweite Assistent Alexandre Leal. Die Drei kannten sich kaum, auch ein Großteil der Mannschaft war ihnen fremd. „Im Moment ist es wesentlich einfacher“, sagt der gebürtige Schwarzwälder, „ich kenne fast alle Spieler, Jelle ist der einzig Neue. Ich weiß, was Joel will.“ Die meisten Dinge seien jetzt klar. „Als wir vor zwei Jahren als Trainerteam zusammenkamen, war es in vielerlei Hinsicht ein Kennenlernen. Das ist jetzt einfacher, ein Training zu erstellen und an den Sachen zu arbeiten, die wir wollen.“ Obwohl er jetzt nicht mal Leal an seiner Seite hat – der ist mit Banks bei den Niederländern in Manila.
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„Ich vertraue Markus“, erklärt der Chef, der am Dienstag quasi auf der Durchreise über Berlin nach Manila im Horst-Korber-Sportzentrum vorbeikam und der Trainingsgruppe ein paar aufmunternde Worte mit auf den Weg gab, „er ist ja vor Ort und sieht alles, was passiert. Und ich bekomme jeden Tag ein Update von ihm.“ Alles Weitere klärt Steuerwald routiniert: „Joel hat einen Rahmenplan gegeben, ganz grob. Im Endeffekt ist es so: Ich plane das Training und gebe jeden Tag Feedback, wie es läuft, schreibe meine Meinung dazu.“ Sein Chef gibt ihm dabei freie Hand. „Da mixe ich alles zusammen“, erzählt sein Stellvertreter, „Dinge, die ich von Joel sehe, Dinge, die ich mir selbst vorstelle oder mir Gedanken mache, wie das passt mit der Gruppe. Dinge, die ich bei anderen Trainern gesehen habe. Aber die Idee, wo wir hinkommen wollen, die ist klar.“

Aller Anfang ist schwer, besonders wenn der Fitness-Stand unterschiedlich ist. „Am ersten Tag konnte ich es null einschätzen“, beschreibt Steuerwald die Ausgangslage, „man bekommt aber schnell einen Überblick, wer wie weit ist und mit wem man was machen kann.“ Wehner und Treiter waren vor Kurzem noch im Beachvolleyball unterwegs. Bosma kam von der niederländischen WM-Vorbereitung – alle drei könnten sofort losspielen. Für sie ist der Trainingsstart in Berlin körperlich keine große Herausforderung.
„Das macht aber nichts, gerade bei ihnen kann im technischen und taktischen Bereich jetzt viel gearbeitet werden. Wir müssen die Zeit dazu nutzen.“ Bei Nachzügler Nolan Flexen wird es ähnlich sein. Während die anderen langsam aufgebaut werden, ein bisschen müde sind, noch mit dem Muskelkater kämpfen. Die Stimmung ist trotzdem gut. Vielleicht, weil morgen der erste komplett trainingsfreie Tag angesagt ist. Der Ablauf heute ist so geplant: erst ein individuelles Warm Up, dann ein kleines Spielchen drei gegen drei. Das Spielfeld dabei ist noch sehr klein, bewegt werden soll sich viel, aber gesprungen wird erst nächste Woche. Nach dem Spielchen nimmt die Intensität zu. Abwehrübungen in Wettkampfform stehen auf der Tafel. Da fließt der Schweiß. Zum Abschluss stehen Spielelemente im Mittelpunkt, bei denen sich alle sehr konzentrieren müssen. Nicht allein der Körper, auch der Kopf ist wichtig für die anstehenden Aufgaben.
Den ersten Leistungsnachweis gibt es beim Testspiel am 13. September in Reichenbach in der Oberlausitz gegen das tschechische Traditionsteam Dukla Liberec, 18-maliger Landesmeister. Dann wird sich zeigen, wie Steuerwalds Training angeschlagen hat. Bis dahin wird die Trainingsgruppe mindestens um den Amerikaner Flexen erweitert sein. Der neu verpflichtete Außenangreifer trat für das B-Team der USA beim NORCECA Pan American Cup an und kommt nächste Woche nach Berlin. Sollte von den WM-Aspiranten Moritz Reichert, Florian Krage-Brewitz (GER), Kyle Dagostino, Matthew Knigge (USA), Simon Plaskie (BEL) und Fedor Ivanov (FIN) jemand im letzten Moment noch aus dem Nationalkader gestrichen werden, würde das Team der BR Volleys weiter wachsen. Steuerwald wünscht das niemandem: „Ich hoffe, dass alle zur WM fahren und dort wichtige Erfahrungen sammeln. Obwohl es für unser Training sicher einfacher und auch besser wäre, je größer die Gruppe wird.“ Markus Steuerwald ist jetzt zwar ein professioneller Trainer, doch im Herzen auch noch ein bisschen Spieler. Der 36-Jährige hat 2014 bei der Weltmeisterschaft in Polen mit Deutschland schließlich die Bronzemedaille gewonnen.
Tickets für den Heimauftakt am 21. Oktober gegen den VfB Friedrichshafen: www.br-volleys.de/tickets